Juli 2016
FĂŒr groĂe Leute ist es schwierig, ein passendes leichtes Zelt fĂŒr Rucksack-Touren zu finden. Gerade bei den (ultra)leichten Zelten wird aus GewichtsgrĂŒnden am Material gespart. Dadurch sind sie sehr eng, groĂe Menschen stoĂen nachts mit dem Schlafsack gegen das AuĂenzelt und ein feuchter Schlafsack wĂ€rmt nicht gut. Wir hatten schon einige Bergzelte ausprobiert und waren mit keinem richtig zufrieden. Nachdem ich schon ein Zelt genĂ€ht hatte, lag es nahe, auch ein besonders leichtes fĂŒr den Rucksack selbst zu bauen.
Die Grundanforderungen waren klar: das Zelt sollte kein zusĂ€tzliches GestĂ€nge bekommen, sondern unsere Bergstöcke sollten als Zeltstangen dienen. Es sollte Ă€hnlich windstabil werden, wie ein Tipi oder Lavvu, aber keine Mittelstange bekommen, die immer im Weg steht. Die GrundflĂ€che ausreichend lang und etwas breiter als bei vielen kommerziellen Bergzelten, die ihren Nutzern fĂŒr zwei Personen oft nur 1,20 m oder noch weniger zugestehen. Ideal wĂ€re es, wenn jeder seinen eigenen Eingang bekĂ€me, damit man nicht ĂŒber den anderen krabbeln muss, falls man nachts mal raus muss. Im Notfall sollte auch GepĂ€ck mit ins Innenzelt passen.
Mit diesen Anforderungen fing ich an, verschiedene Versionen am PC zu entwerfen.
Die erste Version war eine Verkleinerung des schon genĂ€hten Zeltes "KĂ€fer 3". Beim Bergzelt benötigen wir viel weniger Platz fĂŒr das GepĂ€ck, als beim Paddeln, deshalb konnten die Apsiden deutlich verkleinert werden. Damit am Ausgang keine Zeltstange in Weg steht, wĂ€re der "KĂ€fer 2" insgesamt mit 3 Bergstöcken aufgebaut worden (Bild 1). (Nur nebenbei: bei den Bezeichnungen meiner Zelte, orientiere ich mich, was die Nummer betrifft, an den im Outdoor-Handel ĂŒblichen Konventionen, also "2" = gerade passend fĂŒr zwei Personen auf schmalen Matten.)
Der erste Entwurf war bezogen auf die Liegeachse asymmetrisch, wir hĂ€tten also "vorn" einen groĂen Eingang mit groĂer Apsis gehabt und "hinten" einen kleinen Ausgang mit kleiner Apsis. Beim Konstruieren am PC kam mir dann aber die Idee fĂŒr den endgĂŒltigen Entwurf, wie ich ihn dann auch umsetzte. Zum Aufbau sind nun nicht mehr 3, sondern nur noch 2 Stangen nötig. Die Stangen sind auf der jeweiligen Seite entgegengesetzt aus der Mittelachse verschoben, so dass man jeweils einen bequemeren Ausgang ohne störende Mittelstange erhĂ€lt.
Die beiden Nutzer können sich dadurch mit genĂŒgend Kopffreiheit schrĂ€g gegenĂŒbersitzen und behindern sich nicht beim morgendlichen Einpacken. Auch ist das Zelt im Kopfbereich dadurch steiler, was ein angenehmes RaumgefĂŒhl erzeugt.
Den Vorteilen steht dann aber gegenĂŒber, dass das Zelt im jeweiligen FuĂbereich relativ flach auslĂ€uft, was bei Wind oder Materialdehnung durch NĂ€sse ein Problem werden könnte. Ein US-Zelthersteller mit einem Ă€hnlichen Modell löst dieses Problem mit zusĂ€tzlichen kurzen Stangen, die das Zelt dort anheben. Ich hatte eine andere Idee, die ich "Innenskelett" nenne: zwischen dem oberen Punkt der Zeltstangen und den unteren Abspannpunkten verlĂ€uft unter dem AuĂenzelt eine Schnur, die die AuĂenflĂ€che des Zeltes "abstĂŒtzt" und stabilisiert. Diese Schnur kann von innen nachgespannt werden. ZusĂ€tzlich sind an den Abspannpunkten elastische BĂ€nder eingenĂ€ht, die die unvermeidliche NĂ€ssedehnung des AuĂenzelt-Materials ausgleichen und das Zelt quasi "automatisch" nachspannen.
Die Materialien hab ich wieder bei extremtextil.de gekauft; fĂŒr das AuĂenzelt sehr leichtes Ripstop-Nylon, silikonbeschichtet mit 36g/qm. Da wir gern auf eine zusĂ€tzliche Zeltunterlage verzichten, ist der Zeltboden aus PU-beschichtetem Nylon mit 90g/qm.
Das superdĂŒnne AuĂenzelt-Material lĂ€sst sich entsprechend schwierig verarbeiten. Man muss besonders gut auf den Fadenlauf achten, sonst verziehen sich die NĂ€hte total. Ich habe die Stoffteile vor dem NĂ€hen mit einem Klebestift "geheftet" und dann mit Doppel-KappnĂ€hten verbunden. An allen Kanten der AuĂenzelt-Teile ist beim Zuschnitt ein leicht konvexer Bogen (Cat Cut = catenary cut) eingearbeitet, der dafĂŒr sorgt, dass sich die FlĂ€chen möglichst faltenfrei straff ziehen.
Die Verarbeitung des Innenzeltes und speziell des Zeltbodens war verglichen mit dem rutschigen AuĂenzelt eine echte Wohltat. (Auch beim Himmel des Innenzeltes muss an der Firstnaht leicht bogenförmig zugeschnitten werden, damit das Innenzelt nicht durchhĂ€ngt.)
Obwohl ich bei Zeltboden, Abspanngurten, Schnallen, SchnĂŒren usw. eher auf StabilitĂ€t als auf Gewichtsersparnis geachtet habe, hat das Zelt am Ende ein Gesamtgewicht von knapp 1,6 kg bei einer komfortablen Liegebreite von 140 cm und 240 cm Innenzelt-LĂ€nge.
Auf Tour hat sich die Zeltform sehr bewĂ€hrt, sie ist ziemlich windstabil und kann bei Bedarf auch an den groĂen FlĂ€chen zusĂ€tzlich abgespannt werden. Wenn man beide Apsiden öffnet, hat man eine hervorragende QuerlĂŒftung gegen Hitzestau und zur besseren Trocknung. Bis jetzt sind wir mit dem Zelt rundum zufrieden.