Ende Oktober 2017
Der Luther-Jubiläums-Beweihräucherung und einem Brückentag verdankten wir ein 5-tägiges Wochenende. Der goldene Herbst war schon vorbei. Durch die Winterzeitumstellung war das Tageslicht auch schon knapp bemessen und die Wetteraussichten waren nicht besonders rosig. Wir wollten trotzdem raus und so bot sich von unseren Outdoor-Aktivitäten am ehesten noch das Paddeln an.
Auf unserer Tourkarte fehlte noch ein Stückchen Main in Unterfranken und dieses späte Herbstwochenende könnte für den mittleren Main eine gute Wahl sein. Der Grund dafür: Bei der Maintour weiter oberhalb im Frühjahr 2012 gingen uns die vielen Motorboote auf dem Fluss doch ziemlich auf die Nerven und wie erwartet war dieses Mal überhaupt keines mehr unterwegs.
Auch einige Campingplätze am Fluss waren schon in Winterstarre verfallen und so entschieden wir uns, diesmal nicht im Zelt, sondern im VW-Bus zu übernachten. Trocken - sicher - warm. 🙂 Und mobil.
Schon vor vielen Jahren wurde die Eisenbahnstrecke im Maintal ab Lohr aufgegeben und so fiel Susi die Aufgabe zu, unser Auto per Faltrad nachzuholen, was sie aber gern tat. Durch diese unabhängige Logistik waren wir frei in unseren Tagesetappen und wählten den Abschnitt zwischen Gemünden und Miltenberg für unsere Tour aus.
Kurz nach Gemünden zwingt der Spessart den vorher nach Norden fließenden Main in Richtung Südosten und später knickt der Main am Odenwald wieder in nordöstliche Richtung. So führte unsere Tour vom sogenannten Maindreieck bis zum linken Knie des Mainvierecks. (Das nennt man so, wir haben es nicht erfunden!)
Am ersten Tag starteten wir direkt an der Saale-Mündung in Gemünden. Dort gibt es eine bequeme Einsatzstelle, die wir schon als Endpunkt unserer Tour auf der Fränkischen Saale vor ein paar Jahren kannten. Der Main ist Bundeswasserstraße, deshalb gelten dort auch die Kennzeichnungsvorschriften für Kleinfahrzeuge. Wir tauften unser Ally auf den stolzen Namen "AIDA".So aller ein-zwei Stunden fuhr ein großes Frachtschiff an uns vorüber. Die Bugwellen waren völlig ungefährlich und wenn man außerhalb der betonnten Fahrrinne paddelt, muss man nicht besonders aufpassen. Die großen Schiffe sind so leise, dass man sie kaum bemerkt, wenn sie von hinten an einem vorbeifahren.
In Langenprozelten gab es eine Autofähre mit dem Namen "Mittelrhein" - die hat sich bestimmt verfahren. Oder wurde sie für irgend etwas zur Strafe in die Provinz versetzt? 🙂
Der Main selbst hat dort nur wenig Strömung, vielleicht geschätzte 1-2 km/h. Er ist in regelmäßigen Abständen aufgestaut und es gibt parallel zu den Schifffahrtsschleusen jeweils eine kleine Sportbootschleuse. Einige Sportbootschleusen waren allerdings wegen Reparaturarbeiten oder Wintervorbereitung bereits geschlossen. Das lässt sich aber sehr leicht vorab im Internet nachschauen.
Wir hatten unseren Bootswagen mit im Boot und so war es auch kein Problem in Steinbach die Staustufe komplett zu umkarren. Unterhalb war ein schönes Plätzchen für die Mittagsrast.
Für den ersten Tag hatten wir uns eine etwas kürzere Etappe vorgenommen und paddelten nur bis Lohr. Allerdings hatten wir über längere Strecken ordentlichen Gegenwind und so mussten wir uns trotzdem ein bisschen anstrengen. Die Ein- und Ausstiege am Main sind jeweils mit einer weithin sichtbaren gelben Welle gekennzeichnet und dort kommt man überall bequem ins Boot.
Wir luden in Lohr direkt an der Mainlände das Boot aufs Autodach und fuhren zum nächsten offenen Campingplatz am Forellenhof. Stellplätze für Durchgangsreisende existieren dort nur noch sehr wenige und die Dauercamper scheinen altertümliche und verschmuddelte Sanitäranlagen nicht zu stören. Wahrscheinlich sind sie gemeinsam gealtert, das verbindet. 😉 Wir stellten unsere "Autovorzeltkuppel" (namens Paraplü) als Windschutz auf, heizten den Faltgrill an und nutzten ihn später für ein kleines, gemütliches Lagerfeuer.
Die Wettervorhersage kündigte für den nächsten Tag Wind bis 70 km/h an und wir hatten keine Lust, mit noch mehr Wind als an diesem Tage auf der breiten, offenen Wasserfläche zu kämpfen. Deshalb entschlossen wir uns, einen Tag in Lohr "abzuwettern".
Wie bestellt war genau an diesem Tage in Lohr der Ramboursonntag - das herbstliche Stadtfest benannt nach einer Apfelsorte. Das ließen wir uns natürlich nicht entgehen. Beim Schlendern durch die belebten mittelalterlichen Gassen erfuhren wir, dass Schneewittchen wissenschaftlich (fabulologisch) nachgewiesen eine Lohrerin war. Und wir hatten sogar das Glück, sie mehrfach samt ihren Zwergen zu treffen. Außerdem durften wir auf den sonst geschlossenen Bayerturm steigen und die Türmerwohnung samt Aussicht ansehen.
Abends aßen wir lecker und deftig im Brauhaus Keiler und gingen danach noch ins Weinhaus Mehling (Wein auf Bier - das rat ich dir) 🙂. Dort verkosteten wir genau den Wein, der den seligen Fabulologen zu ihrer Erkenntnis verholfen hatte. Jetzt sind auch wir absolut sicher, dass Schneewittchen nur aus Lohr stammen kann!
Am nächsten Morgen hat der Wind das graue Wolkeneinerlei schon ein bisschen vertrieben. Wir starten wieder in Lohr an der Mainlände und ohne den lästigen Gegenwind lässt es sich doch ganz gemütlich paddeln. Die Landschaft hat sich nicht viel geändert: links und rechts vom Fluss meist bewaldete Hänge und im Tal ab und zu ein kleines, schnuckeliges fränkisches Örtchen. Am Ufer entlang führt eine Bundesstraße, die gelegentlich zu hören ist. Die Wasservögel sind davon völlig unbeeindruckt, wir sehen Nilgänse, verschiedene Enten und gelegentlich blitzt als kleiner blauer Punkt ein scheuer Eisvogel vor den Uferbäumen auf. Auf einer Uferwiese versammelt sich ein großer Vogelschwarm, der erst einige Platzrunden fliegt, um dann über die Berge Richtung Süden zu verschwinden.
Der Fluss selbst ist als Bundeswasserstraße kanalartig ausgebaut, die Steinschüttungen an den Ufern sind aber meist unauffällig zugewachsen. Irgendwann kommt das Kloster Neustadt in Sicht und ab und zu die gelbe Welle der Ein- und Ausstiegsstellen. Häufig daneben ein symbolisches Schiff oder ein Mast mit Beflaggung. Bei dem viel schöneren Wetter kommen aber endlich mal wieder die Herbstfarben zur Geltung. Nur die schönen roten und goldenen Oktobertöne sind schon verschwunden.
An der Staustufe Rothenfels finden laute Bauarbeiten statt. Ein Schild teilt uns mit, dass die Sportbootschleuse gesperrt ist. Ein Fischer, der mit seinem Boot in die Schleuse fährt, lässt uns hoffen, doch noch schleusen zu können. Es stellt sich aber heraus, dass er lediglich Besatzfische für den örtlichen Anglerverein ins Unterwasser trägt. Wir tragen auch, allerdings unser Boot und das Faltrad, was jedoch über die Treppenanlage schnell und einfach vonstatten geht. In Rothenfels gibt es noch eine Burg zu sehen und dann sind wir schon fast am Zielort des Tages Marktheidenfeld. Susi hüpft aufs Rad und holt unser Auto und ich schaue mir inzwischen ein bisschen den Ort an: dort kann man getrost vorbeipaddeln. Marktheidenfeld hat nicht mal ansatzweise den Charme des kleinen Städtchens Lohr. Außerdem fehlt Schneewittchen. 🙂
Der Campingplatz Main-Spessart-Park Triefenstein liegt wenige Flusskilometer abwärts und auf einer groben Karte könnte man meinen, er läge direkt am Ufer. Weit gefehlt. Er befindet sich in Hanglage deutlich über dem Main und ist sicher keine gute Option, falls man hier doch eine Gepäcktour unternehmen würde. Der freundliche Chef an der Rezeption hat einen deutlichen holländischen Akzent so wie auch einige Gäste auf dem sehr sauberen und gepflegten Platz. Abends überlegen wir uns noch einen Plan für unsere weiteren Etappen: Wir werden das Stück des Mains um die laute Autobahn A3 auslassen und erst in Bettingen wieder einsetzen.
Der nächste Morgen empfängt uns zunächst wieder mit tristem Grau. Vom Campingplatz aus ist der Main nicht mal zu erahnen. Nach einem gemütlichen Frühstück und kurzer Autofahrt reißt es aber in Bettingen schon auf und wir können sogar bei gelegentlichem Sonnenschein das Boot dort bequem zu Wasser lassen. Der Main zieht nach Bettingen eine ganz enge Schleife, zuerst ein paar Kilometer nach Süden, danach wieder nordwärts; über den umflossenen Berg wären es sogar nur ein paar hundert Meter bis zur anderen Wasserseite. In der engen Schlinge gibt es keine Uferstraße und so ist es dort richtig schön ruhig und einsam auf dem Wasser.
Nach der Schlinge kommen wir zur Staustufe Eichel. Dort dürfen wir endlich mal wieder schleusen. Beim Schleusen kann man nicht viel falsch machen, man muss nur einen Hebel auf Berg- oder Talfahrt stellen und dann geduldig einen Knopf drücken. Da Susi als Vorderfrau das Boot allein schlechter lenken könnte, darf sie die Schleuse bedienen. Ich sinke langsam hinab in den dunklen Schacht und freue mich, als sich endlich das untere Tor öffnet und Susi an der Treppe wieder ins Boot hüpfen kann.
In Wertheim paddeln wir kurz ein bisschen die Tauber hinauf und machen dann eine längere Rast. Den Ort haben wir uns früher schon einmal angesehen, als wir bei einer Fahrradtour hier waren. Ein schönes Stadtbild, das vom Wasser aus nur durch die hohe Brücke der Ortsumgehung gestört wird. Ein paar Frachtschiffe und ein großes Flusskreuzfahrtschiff sausen vorbei; bei Wertheim ist die Strömung deutlich schneller geworden. Am Ortsende liegt auf dem linken Ufer ein Campingplatz, der laut Internet aber schon geschlossen ist. Wir paddeln nur noch weiter bis Hasloch, weil wir keine Lust haben, erst im Dunkeln anzukommen. Die Tage sind eben doch schon recht kurz.
Mit dem Auto geht es dann bis zum Camping in Collenberg, der hat aber entgegen den Angaben auf der Website bereits Winterruhe. Also zurück zum Camping Main-Spessart-Park? Auf dem Weg dorthin sehen wir in der Dämmerung auf dem Azur-Camping Wertheim doch noch Licht und ein paar Leute. Wir fahren dort kurz vorbei und fragen. Der Betreiber erklärt uns, dass der Camping schon geschlossen sei und als wir schon wieder abfahren wollen, kommt er nochmal an unser Auto: Wenn wir keinen besonderen Komfort bräuchten, könnten wir uns einfach irgendwo abseits hinstellen, ein Sanitärgebäude ist noch geöffnet. Das reicht uns. Die Leute auf dem Campingplatz, die wir gesehen hatten, sind die Mitarbeiter des Platzes, die heute Abend eine Saisonabschlussparty am Lagerfeuer feiern wollen. Sie übernachten in ein paar Wohnwagen, die alle über eine abenteuerliche Verkabelung an einer(!) Steckdose im Waschraum angeschlossen sind. Na die werden's schon wissen. 🙂 Wir machen wieder unser eigenes kleines Lagerfeuerchen in der Feuerschale, schauen direkt auf den Main und auch ein Hotelschiff tuckert langsam vorbei.
Am nächsten Morgen sehen die Campingplatzmitarbeiter ziemlich verkatert aus, es war aber eine nette Party, sagen sie. Jetzt müssen sie nur noch zum Hochwasserschutz die ganzen Elektroverteilungen auf dem Platz abbauen und dann ist für sie wirklich Saisonende. Aber danke nochmal, dass wir ausnahmsweise noch dort übernachten durften. Der Azur-Camping hat übrigens auch einen guten Bootsanleger, falls man dort mal im Sommer unterwegs sein sollte.
Da wir dieses Stück schon am Vortag gepaddelt sind, starten wir nicht wieder in Wertheim, sondern erst unter der Burg in Stadtprozelten. Inzwischen ist herrlichster Sonnenschein und blauer Himmel - das wird einer der letzten schönen Herbsttage werden. Heute gibt es einiges zu sehen. Neben den gar nicht so scheuen Wasservögeln zeigt der Spessart ab und zu seine felsige Buntsandsteinseite. Ein paar Burgen kommen in Sicht und sogar ein einsamer Stand-Up-Paddler kommt uns entgegen. Ansonsten ein ähnliches Bild wie an den Vortagen: eine breite ruhige Wasserstraße mit ein paar Ortschaften als Farbtupfer am Ufer. Die Schleuse an der Staustufe Freudenberg ist allerdings besonders; hier ist die Schleusenkammer mit einer Fischtreppe kombiniert. Deshalb muss man in der Schleuse ganz nach vorn fahren, damit man nicht während des Schleusenvorgangs plötzlich auf dem Trockenen sitzt.
In Miltenberg landen wir direkt an der Mainlände und können dort das Boot bequem aus dem Wasser heben. Daneben Wiese und Parkplatz - perfekt zum Abbauen. Kurz nachdem Susi losgeradelt ist, legt ein großes Flusskreuzfahrtschiff neben mir an. Dann kommen ein paar voll besetzte Reisebusse und kippen einen riesigen Haufen Leute vor das Schiff. Es dauert bestimmt über eine Stunde, bis die alle in langer Schlange aufs Schiff gelassen werden. Die meisten von ihnen unterhalten sich auf englisch, dem Klang nach vermutlich britisch. Viele haben ihr Smartphone in der Hand oder ein Tablet. So habe ich eine Masse von Zuschauern, während ich das Ally auseinander baue und verpacke. Ob ich fotografiert werden möchte, werde ich nicht gefragt. Die anderen "Sehenswürdigkeiten" fragt man ja schließlich auch nicht. 😉
Als Susi mit dem Auto in Miltenberg wieder ankommt, ist es zwar erst später Nachmittag, aber bereits stockdunkel. Miltenberg liegt als langgestreckter Ort mit nur einer schmalen Straße zwischen malerischen Fachwerkhäusern auf der engen Fläche zwischen Mainufer und Odenwald. Oberhalb thront die Mildenburg. Der Straßenverkehr ist direkt auf die Uferstraße am Main verlegt. So bummeln wir noch einmal auf und ab durch das nette Örtchen und gehen lecker essen, bevor wir uns auf die Heimreise begeben.
In diesem Abschnitt bekommt der Main von uns keine besondere Empfehlung und weiter flussabwärts in der stark besiedelten und platten Landschaft um Frankfurt werden wir ihn bestimmt auch nicht paddeln. Wir wissen, welcher starke und laute Motorbootverkehr im Sommer hier herrscht. Es gibt einige Wasserskistrecken, die das Paddeln dann sicher auch nicht zum reinen Naturgenuss werden lassen und auch der Verkehr auf den Uferstraßen ist gelegentlich doch störend. Mit kleineren Flüssen wie der Fränkischen Saale oder seinem eigenen Oberlauf kann der mittlere Main in diesem Abschnitt nicht mithalten, aber so ohne Gepäck als herbstliche Bummeltour war es doch ganz schön. Wegen der netten Orte am Ufer und besonders für Schneewittchen geben wir dem Main zwischen Gemünden und Miltenberg immer noch ansehnliche