Fahrradtour durchs Havelland

Mitte Juni 2018

Hier lassen wir gern mal wieder unseren mitgereisten Gast-Autor Martin zu Wort kommen:


Am Anfang war die Birne. Um genau zu sein: Das Wort von der Birne. Mit Blick auf Theodor Fontanes Gedicht "Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland" setzten wir den gleichnamigen Ort als Start für eine Rundtour zu dritt - Susi, Ralf und Martin - auf dem Fahrrad durch den Nordwesten Brandenburgs.

Termin für die Rundreise war Juni 2018. Selbst wenn der Juni als der regen­reichste Monat des Jahres gilt: In dem Jahr war das nicht der Fall. Wie das ganze Jahr fiel der Juni viel zu trocken aus. Entsprechend hatte die Landschaft zum Teil etwas Steppen­haftes, wie wir knapp zwei Jahre zuvor bei unserer gemeinsamen Tour an der Elbe schon beobachtet hatten. Die angenehme Kehrseite dieser Medaille: Die Regen­sachen konnten in der Tasche bleiben.

In Ribbeck selbst natürlich der Abstecher ins Ortszentrum. Während sich hier um die Brennerei und das Schloss eine gastronomisch-touristische Infra­struktur entwickelt hat, sucht man nach einer über­bordenden Zahl an Birn­bäumen im Ortsbild vergeblich. Schrecken lassen darf man sich beim Ausflug nach Ribbeck übrigens nicht unbedingt von einer geschlossenen Gaststätte an der Haupt­straße. Dieser eher unwirtliche erste Eindruck darf keinesfalls auf den gesamten Ort übertragen werden und wurde daher im Fotoalbum zu dieser Tour erst ganz hinten eingeordnet.

Über wenig befahrene Straßen führt die Tour dann westwärts. Dabei ging es vorbei an Getreide­feldern, die aufgrund der Trocken­heit und der Sonne der vergangenen Wochen schon reif waren und in denen der Klatschmohn und die Kornblumen für grelle Farbtupfer sorgten.

Einen besonderen Stopp gab es für uns in Barsikow. Der Alte Dorfkonsum wurde nach der Wende geschlossen und stand über Jahre leer. Inzwischen ist er als Treff ausgebaut, der an Freitagabenden und Sonntag­nachmittagen geöffnet ist. Geboten wird Kunst und Kultur, serviert wird unter anderem das Schwarzbier "Kyritzer Mord & Totschlag" aus der Neuzeller Kloster­brauerei, das wir selbst­verständlich kosteten. Danach fühlten wir uns quick­lebendig und gestärkt für die Weiter­fahrt. Dies allerdings nicht, ohne vorher einen Blick ins Regal mit zu verschenkenden Büchern geworfen zu haben. Dort nahmen wir ein Taschen­buch mit Texten von Horst Evers mit, das uns noch am gleichen Abend gute Dienste leisten sollte. Später querten wir bei der Fahrt die Dosse und warfen prüfende Blicke in dieselbe. Ob dieser Fluss wohl einmal für eine Paddeltour taugt? Wir sind uns auch heute nicht sicher.

Auf jeden Fall aber gibt es am Wegesrand Historisches, das man in Augen­schein nehmen könnte, wenn man nicht wegen der Pausen zwischen­durch zu spät kommt. In Groß­derschau gibt es eine Ausstellung im Kolonisten­dorf, in der u.a. mit altem land­wirt­schaftlichen Gerät gezeigt wird, wie die Region durch erschlossen wurde. In Gollen­berg erinnert eine Ausstellung an Otto Lilienthal, der hier Segelflug-Versuche unternahm und hier auch verunglückte. Außerdem steht dort eine alte IL 62 der Interflug, die ebenfalls besichtigt werden kann. Wir entschieden uns dafür, in der Gast­stätte nebenan mit Blick auf das alte Flug­zeug Bier und Soljanka zu verkosten.

Übernachtungs­ziel des ersten Tages war Gülpe. Auf dem Weg dorthin ließen wir den Gülper See rechts liegen, der seit 1967 Natur­schutz­gebiet ist. Er ist ein bedeutender Rast­platz für Zugvögel und damit auch ein Anziehungs­punkt für Bird-Watchers. Da aber im Juni Erstere nicht unterwegs waren, bekamen wir auch Letztere nicht leibhaftig zu Gesicht. In Gülpe befindet sich ein malerischer Rastplatz am Ufer der Gülper Havel, die sich hier als Nebenarm der Havel durch Schilf­wälder schlängelt. Der Ort wirbt für sich als einer der dunkelsten Punkte Deutschlands, an dem es aufgrund nur weniger großer Siedlungen nachts nur eine geringe Licht­verschmutzung gibt und folglich ein guter Blick in den Himmel möglich ist. Bedauer­licher­weise aber verdeckte an diesem Tag eine leichte Wolken­decke die Sicht auf die Sterne.

Für uns stand an diesem Abend zunächst ein Bad in dem Havelarm auf dem Programm. Ziemlich schnell zeigte sich danach, dass die Trocken­heit des Jahres die Mücken hier wenig beeindruckt hat. Jedenfalls fielen die Tiere sofort, nachdem man sich hinsetzte, mit großem Appetit über einen her. Die Rettung bildete die "Auster" von Susi und Ralf. Dank des großen "Fliegen­gitters" bot diese einen luftigen und mücken­sicheren Rückzugsort, in dem eine private Horst-Evers-Lesung für Heiter­keit sorgte. In der Nacht zeigte sich, dass die Mücken an diesen Abend keine Nacht­ruhe kannten und ohne Unterlass Einlass begehrten. Während die Auster dabei einen wirksamen Schutz bot, war Martins "Tarpus Longus" aufgrund der offenen Seiten auf diesem Zelt­platz keine gute Wahl.

Vor der Abfahrt am Morgen noch ein kurzer Zwischen­stopp fürs Foto: Auf dem Gülper Kirch­turm hatte einer der in dieser Region noch recht häufig an­zu­treffen­den Weiß­störche ein Nest bezogen. Im Gegen­satz zu anderen Störchen, die wir während unserer Tour beobachten konnten, gab es hier aber keinen Nachwuchs.

Weiter ging es jetzt in Richtung Rathenow. Dies auf Wegen, die sich aufgrund der Betonplatten nicht immer so bequem befahren ließen wie die Straßen am Vortag. Vorbei ging es immer wieder an Gewässern des Havel­lands, die von breiten Schilf­gürteln umgeben sind. Und über alledem immer wieder: Weißstörche, die auf Kirch­türmen und alten Schorn­steinen ihre Nester haben.

Nächste Station war Rathenow mit zwei besonders wichtigen Zielen. Zum einen ein Baumarkt, da von Susis Fahrrad - dem alten Gestell - der Fahrrad­ständer abgefallen war. Im Eingangs­bereich des Optikparks fand nach dem Einkauf des Ersatz­teils eine Fahrradständer-Operation, ein Schachspiel und der Verzehr von Speiseeis statt. Außerdem legte sich Martin eine Mischung aus Gardine und Braut­schleier zu, der hier als Moskito­netz gehandelt wurde. Zweiter wichtiger Punkt für die dreiköpfige Biker-Bande: Der Bismark­turm. Benannt ist dieser nicht nach der wohl­schmeckenden Zubereitung von Heringen, sondern nach dem Politiker aus dem 19. Jahrhundert. Da Turm-Susi ohne Turmaufstieg quengelich werden könnte, erklommen wir das Backstein­bauwerk. Von oben bietet sich ein eindrucks­voller Blick über die Land­schaft samt dem Buga-Park, so dass sich der Aufstieg auch für mut­maßliche Turm­verächter lohnt.

Keineswegs als trivial erwies sich die Nahrungs­suche. Die Getreide­körner auf den Feldern wären nur etwas für Körner­fresser, zu denen wir nicht zählen. Das Obst an den Chaussee­bäumen ließe sich auch nicht durch kräftiges Drücken in einen essbaren Zustand versetzen. Die Brenn­nesseln wirkten schon längst nicht mehr so appetitlich wie während der Paddeltour zu Ostern auf der Werra, bei dem eine Boots­besatzung aufgrund vergessener Vorräte auf das Kochen von Brenn­nessel­suppe umgestiegen war. Hier im Havel­land jedenfalls gab es an dieser wie an anderen Stellen in den kleinen Orten oft keine Möglichkeit einzukehren. Da Hunger böse macht, war es gut, dass uns an diesem frühen Nachmittag niemand anzusprechen wagte. In Premnitz hatten wir aber Glück und konnten im Gasthaus "Retorte" einkehren. Zu diesem Zeitpunkt wurde ein Spiel der Fußball-WM übertragen, und siehe da: Ralf, der sich erklärter­maßen nicht für Rasen­stolperer aller Art interessiert, wurde vor einem Bild­schirm mit der ent­sprechen­den Live­übertragung beobachtet. Dass wir das erleben durften...🙂

Weiter geht's von Premnitz in Richtung Plauer See, an dem wir die Havel auf der sehens­werten Plauer Brücke überquerten. Auf der anderen Seite wieder das leidige Problem der Nahrungs­suche: Gast­stätten haben heute nicht geöffnet, keine Plätze mehr frei oder schließen in Kürze. An diesem Tag scheint sich alles auf das Stadt­fest in Branden­burg zu konzen­trieren. Satt werden wir am Ende in einer Imbiss-Döner-Pizzeria.

Anstatt den Plauer See südlich zum umrunden, entscheiden wir uns für die Nord­route und übernachten damit im Camping- und Ferien­park Plauer See. Der Platz ist trotz seiner Größe ruhig und bietet uns eine schöne Zelt­wiese direkt am Wasser. Auch der Strand ist gepflegt, das Wasser allerdings recht seicht und der Boden schlammig. Mücken gibt es hier auch, doch dank dem Moskito­netz muss Martin in dieser Nacht nicht ganz so viele der Insekten verköstigen.

Am nächsten Tag steht Brandenburg auf dem Touren­plan. Diese Stadt lohnt auf jeden Fall einen Besuch, zumal an diesem Tag Stadt­fest ist und wir Moskauer Eis und tschechi­sches Gebäck erwerben können. Viel Zeit fürs Kultur­programm lassen wir uns nicht, denn wir wollen dem Dom noch einen Besuch abstatten und einmal auf die Friedens­warte klettern. Hoch über der Stadt hat man einen eindrucks­vollen Blick auf die Stadt, und nebenan befindet sich auf einem Hoch­wasser­behälter auf dem Marien­berg, umgeben von Weinreben, das Modell einer Station des Preußi­schen optischen Tele­grafen in Original­größe. Der Punkt ist damit auch Station eines eigenen Rad­fern­wegs, auf dem u.a. ein weiteres Modell in Ziegel­sdorf bei Grabow, die Magde­burger Johannis­kirche und ein original­getreuer Nachbau einer Station in Neuwegers­leben in westlicher Richtung und der Tele­grafen­berg mit einem Campus einer Reihe wichtiger wissen­schaftlicher Institute in Potsdam in östlicher Richtung liegen. Im Bier­garten auf dem Berg legen wir bei swingender Live­musik einen Halt ein.

Weiter geht es jetzt auf dem eigent­lichen Havel­radweg in Richtung Osten. Vom Deich aus bietet sich bei Rücken­wind der Blick in die Weite der Land­schaft. Wir wollen aber einen noch weiteren Blick in die Land­schaft und möchten daher auch den Turm auf dem Götzer Berg besteigen. Dieses Unter­fangen erweist sich aufgrund des steilen und an einigen Stellen sandigen Wegs als schwierig. Während Susi und Ralf mit Blick auf diese Erschwernis ihre Räder weiter unten abstellen und laufen, quält sich Martin den Berg hinauf. Lohn für diese Anstrengung: Zurück geht es mit hoher Geschwindig­keit auf dem Fahrrad, während Susi und Ralf wieder laufen müssen. Ihnen kommt hier sicher zugute, dass sie ohnehin Anhänger des Wanderns sind, während Martin der Fort­bewegung zu Fuß interessiert-kritisch gegenübersteht.

In Ketzin setzen wir wieder über die Havel, um nordwärts zu gelangen. Auf der Fähre wird der Platz ausgereizt, die drei Fahrräder passen nur mit Müh und Not dazwischen. Aber im Osten weiß man sich ja zu helfen, indem die Fahrräder noch ein kleines Stück verschoben und in einander verkeilt werden, so dass die Überfahrt beginnen kann. Das Ausfädeln gestaltet sich nach dem Übersetzen schwierig.

Bei der Fahrt geht es jetzt oft über mehr oder minder gut ausgebaute Wege und Straßen. Unter anderem passieren wir die Baum­schule Lorberg mit einer beacht­lichen Vielfalt an Gehölzen, die auf Plantagen entlang der Straße wachsen.

Kulinarischer Höhepunkt auf dem letzten Abschnitt der Reise ist das Landgut Stober in Groß Behnitz. Als leicht ange­schmuddelte Rad­fahrer wirken wir viel­leicht ein wenig under­dressed, was der Freude an den Spargel­variationen keinen Abbruch tut. Nach der Stärkung geht es weiter über einen frisch asphaltierten Waldweg in Richtung Ribbeck. Diese Strecke ist für den Auto­verkehr gesperrt, so dass es sich hier noch einmal richtig gut durch den branden­burgischen Wald rollen lässt.


Danke, Martin, für Deinen schönen Bericht! Hoffentlich wandern radeln wir bald mal wieder gemeinsam!

Unsere Wertung für diese Tour: