Ostern 2018
Es begann vor 25 Jahren. Zu Himmelfahrt und Pfingsten waren uns die Flüsse und Seen viel zu voll. Deshalb findet das jährliche Anpaddeln immer schon zu Ostern statt. Inzwischen hat sich nicht nur Ralf, sondern auch die ganze Reisegruppe völlig verändert. Die Suche nach einem noch unbekannten Gewässer wird mit der Zeit auch schwieriger, aber zum Glück gibt es ja noch Tschechien. Ohnehin gefallen uns die Bedingungen in diesem paddelfreundlichen Land sehr gut: Die Flüsse sind meist gut ausgebaut und es gibt reichlich einfache Übernachtungsplätze mit Lagerfeuermöglichkeiten - vom guten tschechischen Bier mal ganz abgesehen.
Diesmal fiel die Wahl auf die Eger, die auf tschechisch Ohře heißt. (Der Hatschek über dem r macht den Buchstaben für deutsche Zungen schwierig aussprechbar: auf ein gerolltes r folgt unmittelbar ein stimmhafter postalveolarer Frikativ, ein "je", gesprochen wie das zweite g in Garage.)
Die Eger entspringt im Fichtelgebirge und fließt dann permanent Richtung Osten, bis sie zwischen Melnik und Usti in die Elbe mündet. Auf ihrem Weg fließt sie in Tschechien zuerst durchs Egerbecken, vorbei an der Stadt Eger (Cheb) und später zwängt sie sich zwischen Erz- und Duppauer Gebirge (Doupovské hory) hindurch.
Bei passendem Wasserstand kann man auf der Ohře schon ab Cheb starten, dort ist das Ufer aber ziemlich besiedelt und industriegesäumt. Für unsere vier Osterpaddeltage interessierten uns mehr die einsamen Waldschluchten. Deshalb setzten wir erst am Kemp Baron bei Kralovske Porici ein. Diesmal traf sich die Paddelgruppe bereits am Gründonnerstag, so dass die Tour schon dort mit dem ersten entspannten Lagerfeuerabend beginnen konnte.
Es war eines dieser zeitigen Ostern. Auf den Gipfeln des Erzgebirges lag stellenweise noch Schnee und der Frühling ließ auf sich warten. Die Vegetation schlief noch, nur ein paar Schneeglöckchen waren ab und zu zu sehen. Das Wetter meinte es aber dennoch gut mit uns: so gut wie kein Regen und nur ein bisschen Wind.
Gleich nach dem Kemp Baron fließt die Ohře durch die erste Waldschlucht, es gibt keinen Straßenverkehr und nur kurzzeitig sieht man einmal eine Autobahnbrücke hoch über dem Fluss. Durch die kräftige Strömung werden die Steine im Flussbett gut überspült und man muss ordentlich aufpassen, damit man nicht versehentlich auf einen der recht scharfkantigen Steine auffährt. An einigen Naturwehren gibt es eine Durchfahrtmöglichkeit mit zügiger Strömung, auch dort ist gute Bootsbeherrschung gefragt.
Das kleine Örtchen Loket schmiegt sich in einer engen Flussschlinge um die gleichnamige Burg. Bestimmt lohnt sich dort auch eine Besichtigung. An den künstlichen Wehren der Ohře gibt es häufig eine gut befahrbare Bootsgasse oder zumindest eine Möglichkeit zum Treideln. Nur selten muss man umtragen. Zwingend sollte man das am Wehr Radosov tun, wo schon von weitem gut sichtbar gewarnt wird, dass dort bedauerlicherweise schon 48 unglückliche Paddler ertrunken sind. Ein Schild am Ufer an der bequemen Ausstiegsstelle warnt rechtzeitig vor diesem Wehr.
Durch den bekannten Kurort Karlsbad (Karlovy Vary) unternahmen wir nur einen kurzen Rundgang, weil wir noch weiter bis zum Kemp Hubertus paddeln wollten. Das Kemp liegt mitten im Hochwald. Unmittelbar beim Kemp rauscht die Ohře in einer Wildwasserstrecke über eine Reihe von Steinstufen. Ob man diese Strecke mit Gepäck paddelt, das muss jeder selbst entscheiden. Von uns wollte nur einer unbedingt mit leerem Boot dort hinunter. Die Fotos zeigen deutlich, wer die Kontrolle über das Boot hatte. 🙂
In Tschechien sieht man heutzutage nur noch wenig verfallene oder renovierungsbedürftige Gebäude. Der Ort Kyselka ist eine Ausnahme. Er ist völlig marode, in seiner sehr wechselvollen Geschichte hat der mondäne Badeort schon viel erlebt, zeitweise sogar als Teil eines Truppenübungsplatzes und auch die vielen Eigentümerwechsel der jüngeren Vergangenheit haben ihn nicht gerettet. Jedoch ist für die Zukunft eine fast vollständige Rekonstruktion des Ortes geplant. Die Mineralwasserquellen sprudeln schon wieder.
Im weiteren Verlauf wechselt die Landschaft wieder von einsamen Waldschluchten zu offeneren Abschnitten. Wir wären gerne noch weiter gepaddelt, aber leider war das Osterwochenende schon wieder vorbei und auch der Fluss wird in seinem Unterlauf selten gepaddelt, unter anderem wegen eines unattraktiven Stausees.
So wie es aussieht, hat diese weitere Ostertour in Tschechien der ganzen Gruppe wieder mal super gefallen. Auch Martins Bericht in der Magdeburger Volksstimme klang sehr positiv. Wer ihn lesen möchte: klickhier. Und nächstes Jahr bekommt Susi das Jubiläumstrikot, ihr passt es ohnehin viel besser. 🙂
Unsere Wertung für die Ohře: