Mitte November 2018
Die Wetterdienste kündigten einheitlich den Martini-Sommer an, wir hatten uns ein paar Tage frei gehalten und unsere spontane Wahl fiel mal wieder auf die Altmühl. Diesmal wollten wir sie aber nicht nur paddeln, vielmehr war die Idee eine kombinierte Paddel-/Wandertour. Im November sind an der Altmühl alle Campingplätze geschlossen, aber die Kanu-Rastplätze sind weiterhin nutzbar. Wir kennen die Altmühl durch einige Paddel- und Radtouren recht gut, so war die Tourplanung schnell erledigt.
Den Bootsrastplatz Hagenacker erreicht man von Land aus über einen kleinen Feldweg. Er liegt ruhig, abseits bewohnter Gebiete direkt am Wehr Hagenacker. Außer einer Wiese mit ein paar Feuerstellen, einem kleinen Unterstand und ein paar erstaunlich sauberen Dixiklos gibt es keine Infrastruktur. Deshalb hatten wir deutlich mehr Trinkwasser im Auto mitgenommen als üblicherweise, da auch an den anderen Übernachtungsplätzen keine Wasserversorgung mehr zu erwarten war.
Wir sind schon am Vorabend angereist und so gleich morgens vor Ort. Den Morgen erkennen wir allerdings nur an der Uhrzeit, das Tal ist noch völlig nebelverhangen. Ab und an taucht ein Zug auf der Bahnstrecke in der Nähe aus dem Nebel auf und verschwindet wieder im Grau. Uns stört es nicht weiter, wir bauen fix unser Boot auf, packen es aufs Autodach und frühstücken in Ruhe. Danach geht es zum Startort unserer heutigen Tour nach Solnhofen.
In Solnhofen holen wir uns beim Bäcker noch leckeren Tagesproviant. Ein Schild weist uns darauf hin, dass wir unterhalb der Brücke einsetzen sollen und nicht wie ursprünglich angedacht hinter dem Wehr an der Aktivmühle. Unterhalb der Brücke stehen jede Menge gefüllte Bootsanhänger, die vermuten lassen, was im Sommer auf der Altmühl für ein Trubel herrschen kann. Diesmal wird uns auf der Altmühl niemand begegnen, die Verleiher haben ohnehin alle Winterpause. Der Altmühlpegel ist sehr niedrig und da wir schon wissen, was kommen wird, packen wir auch die langen Gummistiefel ins Boot.
Am sehr bequemen Einstieg geht es dann aufs Wasser. Das kurze Stück bis zur Insel an der Aktivmühle ist schnell gepaddelt und auch das Umtragen über die Insel geht mit dem leeren Boot fix vonstatten. Wie zu erwarten, müssen wir im Unterwasser ein Stück treideln, mit Gummistiefeln kein Problem.
Der Nebel und der graue Himmel erzeugen eine ganz eigene Herbststimmung und so fühlen wir uns auf der Altmühl viel einsamer als sie eigentlich ist. Auch die Fauna scheint die Ruhe zu genießen: Wir sehen Reiher, Kormorane und Greifvögel, Schwäne und Enten in großer Zahl und auch erstaunlich viele Eisvögel. Die sind allerdings nicht so geduldig, für ein gutes Foto sitzen zu bleiben und das lange Teleobjektiv liegt leider zu Hause. Wir hatten ohnehin nicht vor, bei dieser Tour viele Fotos zu machen, das kam aber dann ganz anders.
An den markanten Zwölf Aposteln ist der Nebel schon gewichen, aber eine dicke graue Wolkendecke lässt die Sonne nicht mal erahnen. Auch wenn der Wetterbericht das anders sah, wird die Sonne heute wohl nicht mehr heraus kommen. In dem trüben Licht wirkt die noch verbliebene Herbstfärbung aber sehr schön. Schön ist an dieser Jahreszeit auch, dass die Vögel auf lauten Motorrädern in ihren Löchern geblieben sind. Die können hier bei gutem Wetter schon mal ziemlich nervig sein.
Am Wehr Hammermühle kann man den niedrigen Wasserstand auch deutlich sehen, gerade einmal die Bootsgasse wird noch gut vom Wasser durchflossen. Nach kurzer Besichtigung fahren wir sie problemlos hinunter. Schon mittags sind wir wieder in Hagenacker. Da wir im November mit dem Tageslicht haushalten müssen, endet dort schon unsere erste Paddeletappe. Wir schließen das Boot an einem Baum an, wechseln die Schuhe und nach einem kleinen Mittagsimbiss geht es los auf den Altmühlpanoramaweg, der direkt am Rastplatz Hagenacker vorbeiführt.
Anders als der Altmühlradweg, der fast ausschließlich auf der Talsohle bleibt, verläuft der Panoramaweg häufig auf und oberhalb der Altmühlhänge. Seitentäler quert er dann aber auch wieder auf dem Altmühlniveau, so dass einige Male ordentlich auf- und abzusteigen ist. So sehen wir den Zeltplatz Hammermühle und die Felsformationen der Zwölf Apostel heute auch noch einmal von oben. Die Altmühllandschaft an einem Tag so aus völlig verschiedenen Perspektiven wahrzunehmen, hat wirklich seinen Reiz. Bei beginnender Dämmerung sind wir wieder in Solnhofen und mit dem Auto in erschreckend kurzen zehn Minuten beim Boot in Hagenacker, nachdem wir für die gleiche Strecke im Boot und zu Fuß Stunden brauchten.
Für ein schönes Lagerfeuer haben wir Holz in den Kofferraum gepackt. Nach der Sommersaison findet man an den Rastplätzen kein kleines Zweiglein mehr. In der Dunkelheit tasten sich Scheinwerferstrahlen durch den wieder einsetzenden Nebel auf uns zu, ein Auto hält beim Rastplatz und etwas zögerlich kommt jemand zu uns ans Feuer. Im ersten Moment ist der lokale Dialekt für uns schwer verständlich. Wir erfahren, dass der Mann eher Anglerkollegen hier erwartet hätte, Paddler können nach seiner Meinung zu dieser Jahreszeit hier gar nicht mehr sein! Wir hören uns noch einiges Gejammer über den Paddeltourismus im Sommer an, die üblichen Klagen des Anglers den Paddlern gegenüber, die ihm sein Revier streitig machen. Schließlich pachten ja die Angelvereine die kompletten Flüsse. Uns nimmt er erstaunlicherweise von allen Anschuldigungen aus, wir seien ja ganz anders, womit er natürlich auch absolut recht hat. 😉 Für den nächsten Tag zeigen die Wetterapps einen kompletten Sonnentag und mit Vorfreude darauf folgt eine erholsame Nacht.
Die Altmühlgegend wurde durch die Wetterdienste offensichtlich nicht informiert, denn auch der nächste Tag begrüßt uns wieder mit Novembergrau. Die Katzenwäsche mit eisigem Wasser macht uns hellwach und während wir frühstücken kommt wieder der Angler vom Vorabend vorbei und tut so, als würde er angeln wollen. Aber eigentlich ist er nur auf ein weiteres Schwätzchen aus. Kurz darauf verschwindet er wieder und auch wir wollen nicht lange bummeln, schließlich sind die Tage kurz.
Diesmal setzen wir das Boot gleich hier in Hagenacker ins Wasser. Auf der Altmühl müssen wir ab und zu Schlangenlinien fahren, um auf den vielen seichten Stellen nicht aufzusetzen. Und der Fluss hat hier, anders als bei höheren Wasserständen, sogar gut merkliche Strömung. Bis Dollnstein kommen wieder einige imposante Felsriffe in Sicht, dann weitet sich die Landschaft und bekommt etwas Auenartiges. Am Burgstein gibt es mal keine Kletterer, die wir ansonsten fast immer gesehen haben.
Der Fluss zieht sich in einer langen Schlinge um den Burgstein herum, so dass wir ihn immer wieder aus verschiedenen Perspektiven zu sehen bekommen. Das Bubenrother Wehr ist über die bequeme Treppe leicht umgetragen. Über die Wehrkrone fließt gar kein Wasser. So ist auch der Einstieg kurz hinter dem Wehr völlig strömungsfrei, das haben wir hier schon ganz anders erlebt. Wir kommen gerade so ohne Treideln durch eine kleine Rinne, bis das Wasser aus dem Mühlenkanal wieder dazuströmt. Weniger Pegel sollte es wirklich nicht sein, dann könnte man hin und zurück wandern. 🙂
Sowohl in Obereichstätt, direkt hinter der Brücke, als auch in Wasserzell kann man sehr gut aussteigen und diese Etappe beenden.
Der Panoramaweg führt an der Hangkante oberhalb von Obereichstätt entlang, wieder unterhalb einiger Felspassagen. In Obereichstätt hat der Künstler Alf Lechner auf dem Areal der ehemaligen Eisenhütte eine Menge rostigen Stahls zu Skulpturen zusammengedengelt. Für uns Banausen sind diese Objekte ein ziemlich harter Kontrast zu der schönen Landschaft, aber wahrscheinlich soll das so. Nur ein paar Ziegen schauen direkt von den Felsen oberhalb etwas gelangweilt auf das menschenleere Gelände.
Der Weg führt wie gestern am Hang auf und ab und erst am späten Nachmittag lässt ein einzelner Sonnenstrahl ein paar Felsen aufleuchten. Vor Breitenfurt verlassen wir den Panoramaweg und laufen weiter auf dem Altmühlweg im Tal. Wir wollen uns den Burgfelsen gern noch aus der Nähe von unten ansehen. Es ist schon beeindruckend, welche Riffe das flache Meer hier vor Millionen Jahren geschaffen hat. Direkt neben dem Burgstein führt ein kleiner, steiler Pfad hinauf, den die Kletterer meist zum Abstieg benutzen und so haben wir kurz darauf auch noch den Ausblick von oben auf das breite Tal.
In Dollnstein überfällt uns ein kleines Hüngerchen und so bleiben wir etwas länger bei leckerem Apfelkuchen im Bäckerei-Café hängen. Das führt später dazu, dass wir erst im Dunkeln in Hagenacker ankommen, aber dass zu dieser Jahreszeit die Stirnlampen im Rucksack mitwandern, ist ja wohl Ehrensache. Dunkelheit heißt ja im November schon 17 Uhr. Es bleibt uns also noch jede Menge Zeit, mit dem Auto das Boot einzusammeln und zum Wohnmobil- und Zeltplatz Eichstätt zu fahren (die Sanitäranlagen sind wie erwartet im November verschlossen - Frostgefahr). Von dort ist es ein schöner Spaziergang entlang der Altmühl zur Innenstadt von Eichstätt mit ihrer sehenswerten Barock-Architektur.
Im Brauereigasthof "Trompete" haben wir vorsorglich reserviert und man glaubt es kaum, auch an einem Donnerstagabend im November ist es dort rappelvoll. Das Essen ist aber auch wirklich gut und sehr reichlich und auch die verschiedenen lokalen Biere erfreuen den Wanderer.
Von jungen Leuten an den Nebentischen erfahren wir noch, wie es um die Religionsfreiheit an der einzigen Katholischen Universität Deutschlands bestellt ist. Finanziell scheinen die Studenten jedenfalls recht gut dazustehen, es wird ringsum ordentlich gefuttert und gebechert. Auf dem Heimweg zu unserem Übernachtungsplatz hat uns das seit Tagen angekündigte Hochdruckgebiet nun endlich erreicht: Der Himmel ist wolkenlos und sternenklar. Hoffentlich bleibt es so.
Am nächsten Morgen schaut tatsächlich die Sonne über den Horizont. Nachts war es aber so kalt, dass ringsum alle Bäume wunderschön bereift sind. Auf dem großen Platz steht nur ein einziges kleines Wohnmobil, dessen Bewohner nur kurz am Fenster zu sehen ist, während wir draußen unseren Tee kochen und gemütlich frühstücken. Das Boot lassen wir gleich auf dem Autodach; heute "mogeln" wir ein bisschen: Wir lassen das Stückchen um Eichstätt einfach aus, weil es am Fluss sehr besiedelt ist und der Panoramaweg oberhalb von Eichstätt wenig spannend über die Felder führt. Außerdem wollen wir innerhalb der geplanten vier Tage noch die Arnsberger Leite mitnehmen. Deshalb fahren wir zur alten Steinbrücke bei Pfünz und starten dort unsere nächste Paddeletappe.
Mit dem blauen Himmel zeigt sich die Altmühl heute von einer ganz anderen Seite. Wieder sind viele Tiere zu sehen und ein paar Örtchen liegen malerisch in der Landschaft. In Walting müssen wir einmal umtragen, auch dort ist die Umtragestelle bestens ausgebaut. Richtung Gungolding gibt es kaum noch Felsen am Hang, dafür ausgedehnte Wacholderheiden. Vom Gungoldinger Rastplatz ist in der Ferne schon die Burg Arnsberg zu sehen.
Unsere Wanderung führt direkt über die Wacholderheiden, so dass wir uns die Trockenrasengesellschaft auch ganz aus der Nähe ansehen können. Auch diesmal geht es ein paar Mal steil bergauf und -ab. Aber auch hier ist der Panoramaweg wirklich schön angelegt. Nur zwischen Rieshofen und Walting führt er ohne Aussicht eine längere Strecke durch lichten Buchenwald. Durch das viele Laub ist der Weg dort kaum zu erkennen, dafür können wir wie in Kindertagen mit Vergnügen durch das raschelnde Laub schlurfen. In Rieshofen schauen wir uns die Wasserburg noch einmal aus der Nähe an.
In den ländlichen Gegenden an der Altmühl außerhalb von Eichstätt waren die Wirtschaften quasi alle geschlossen, teilweise gleich mal zwischen Oktober und April komplett. Wir haben also jeden Tag unsere Getränke selbst im Rucksack dabei. Der Gasthof "Alter Wirt" in Gungolding hat allerdings zuverlässig geöffnet und auch dort war es gut, vorher Bescheid gesagt zu haben. Die vielen, sehr liebevoll gestalteten Räume des Gasthofs sind abends gut gefüllt. Und das Essen ist einfach nur lecker. Weil es so gemütlich ist, bleiben wir etwas länger und verzichten auf das abendliche Lagerfeuer, obwohl am Rastplatz neben der Feuerstelle ein ordentlicher Holzvorrat liegt und wir auch noch Holz im Auto dabei haben.
Am nächsten Morgen komme ich auf die mutige Idee, mal die Haare zu waschen. Kurz fühlt es sich an, als würde mir jemand eine zu kleine Mütze mit Stacheln darin über den Kopf ziehen. Aber immerhin bin ich sofort hellwach. Der Rastplatz Gungolding hat wirklich eine schöne Lage: Frühstück gibt es mit Blick in Richtung Burg. Die Burg ist auch vom Wasser her anfangs das bestimmende Motiv, wenn nicht gerade in den Schattenlagen noch schmale Nebelstreifen über dem Wasser schweben. Die heutige Etappe verläuft aus unserer Sicht durch den malerischsten Teil des Altmühltals, besonders an den imposanten Felsen der Arnsberger Leite. Bis Kipfenberg müssen wir diesmal nirgends umtragen, das nächste Wehr kommt sogar erst an der Kratzmühle. Wir werden unser Boot diesmal schon in Kipfenberg abbauen, aber vorher wird noch gewandert.
Auf diese Wanderetappe haben wir uns schon sehr gefreut: Der Panoramaweg von Kipfenberg folgt zuerst ein Stück dem Römischen Limes und überquert dann bei Böhming die Altmühl. Wenn man einen kleinen Umweg in Kauf nimmt, geht man noch zum Friedhof mit der markanten Kirche ein Stückchen außerhalb von Böhming. Dort befand sich früher ein Römerkastell, von dem allerdings nichts mehr zu sehen ist. Jedoch sieht man von dort aus die Burg Kipfenberg (Limesübergang) und einen Wachturm des Limes oben am Hang. Bei Alarm wurden die wenigen Wachen am Limes durch die Truppen des Kastells unterstützt. Rund um das Kastell entwickelte sich eine zivile Siedlung zur Versorgung.
Der Panoramaweg verläuft noch im Ortsgebiet von Böhming bergauf und anfangs als recht breiter Weg durch den Wald. Nur kleine Seitenpfade führen zu einigen Aussichtspunkten über den Felsen der Arnsberger Leite. Dort sollte man also die Augen offen halten, um die schönsten Stellen nicht zu verpassen. An einer besonders schönen Aussicht treffen wir zwei Wanderinnen mit größerem Rucksack. Es sind überhaupt die ersten Menschen, die wir auf dem ganzen Panoramaweg getroffen haben. Sie waren auch schon vier Tage unterwegs und übernachten in festen Behausungen. Auch sie haben erlebt, dass der Tourismus im Altmühltal zu dieser Jahreszeit völlig ruht. Es fanden sich wohl aber einige wenige "barmherzige Menschen" (Zitat), die ihnen Unterkunft gewährten.
Noch vor der Burg läuft der Weg wieder hinab ins Tal und überquert in Arnsberg die Altmühl. Auf dem anderen Ufer geht es dann wieder über eine Wacholderheide aussichtsreich in Richtung Gungolding. In Kipfenberg können wir bequem das Boot abbauen und dann geht es schon wieder nach Hause. Vielleicht hätten wir auch noch bis Ilbling paddeln können, aber ob dann das Licht für die Fotos bei Arnsberg noch gereicht hätte? Ohnehin hätten wir vermutlich spätestens in Kinding richtige Probleme mit dem Wasserstand bekommen, denn dort vor der Schwarzachmündung ist es auch bei Normalpegel schon sehr flach.
Die Kombination aus Paddeln und Wandern hat uns super gefallen und bietet sich gerade an der Altmühl auch mal an, weil durch die geringe Strömung die Paddeletappen nicht zu lang werden müssen, um sie zurück zu wandern. Schön, dass wir noch etwas Martini-Sommer abbekommen haben, auch wenn uns die Altmühl auch bei trübem Novemberwetter wieder sehr gut gefallen hat. Es war bestimmt nicht unsere letzte Tour dieser schönen Gegend.